Hochwassr 1995

Köche und Winzer von der Terrassenmosel



Die aktuellen Infos

http://www.koeche-und-winzer.de


Die Entstehung

Nur wer die Wege verlässt, bleibt nicht auf der Strecke.

Vortrag von Reinhard Löwenstein anlässlich des Besuchs von Herrn Staatsminister Rainer Brüderle am 20.09.1996


Was haben eine Ananaszucht in Hatzenport, eine Operngala in der Koberner Kläranlage und Kampftrinker vom »Kegelclub gut Holz« in Winningen gemeinsam?  Ist sich prinzipiell möglich, würde Radio Eriwan sagen, und wenn man es richtig anstellt ist damit auch Geld zu verdienen, ist sich aber à la longue der gleiche kulturelle, umweltpolitische und ökonomische Unsinn. Warum? 


Sehr geehrter Herr Minister Brüderle, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Lassen wir einen Koblenzer Oberarzt antworten, der vor einigen Jahren bei mir zu Hause Wein probierte. Er sagte: »Nie hätte ich geglaubt, daß in einem Dorf mit derart primitiven Bustourismus ein so guter Wein wachsen könnte.« Leider ist diese Meinung kein Einzelfall: Alle Studien bestätigen es: Die Mosel wird »draußen« mehrheitlich als »schöne Landschaft mit Billigtourismus« empfunden, die Gastronomie wird als »Friteuseküche mit Schnitzel und Pommes« wahrgenommen und die Weine rangieren als »liebliches Schöppchen« oder »saurer Rambas« unter ferner liefen…  Alle Ausnahmen bestätigen die Regel – und waren bislang leider nicht in der Lage, am Bild der Mosel etwas zu ändern.  Wie sollten sie auch? Schließlich resultiert die Einschätzung unserer Region nicht aus einer Wahrnehmungstrübung sondern entspricht weitgehend der Realität. Eine Realität, mit der die meisten Bewohner unsere Region ja auch prima zurechtkamen. Zumindest bis zu Beginn der 70er Jahre kannten die Winzer kaum Absatzprobleme und die Wirte hatten noch in den 80er Jahren alle Hände voll zu tun. Schließlich brachten Sonderzüge und Busse Millionen trinkfreudiger Kegelbrüder und Schwestern an die Mosel die sich begeistert nach dem Motto unseres Geheimrats »Trunken müssen wir alle sein …« ihrer Alltagssorgen entledigten. 


Und heute? Auch das kleine »Zwischenhoch« nach der Wiedervereinigung konnte nichts daran ändern: Die Zeiten haben sich geändert. Umsätze gehen rapide zurück.  Die Kegelclubs fahren lieber nach Mallorca oder in die Dominikanische Republik und die Individualtouristen rekrutieren sich schwerpunktmäßig aus den einkommensschwächsten Gruppen unserer Gesellschaft resp. dem nahen Ausland. Die Leute trinken KöPi statt Riesling, essen Pommes statt Gratin und bleiben höchstens über’s Wochenende. Mit einer durchschnittlichen Auslastung von unter 30% leben die meisten aller Hotels heute von der Substanz - und haben erst recht kein Geld, ihren Zimmerkomfort auf den aktuellen Standart zu bringen. Große Gastronomiebetriebe können weder Fixkosten noch Personalkosten tragen und melden Konkurs an. Und die Winzer sitzen auf ihrem Wein oder verschleudern selbst hervorragende Rieslinge für unter 10.- DM die Flasche. Die Weinberge sind für ein paar Mark zu kaufen und kaum ein Winzer findet einen Betriebsnachfolger...


Was tun? Während verantwortliche Politiker und Mitbürger und Innen schon seit Jahren beschwörend darauf hinweisen, daß es nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten gelingen kann, wieder zu wirtschaftlicher Prosperität zurückzufinden, ergehen sich die meisten der Betroffenen immer noch Kirchturmspolitik, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Hilferufen an die Obrigkeit. Zum Glück aber nicht alle. In vielen Kommunen raufen sich die Kollegen zusammen, suchen nach Alternativen und überraschen mit attraktiven Angeboten.  Eine dieser Initiativen ist die Arbeitsgemeinschaft der »Köche und Winzer an der Terrassenmosel«. Die mittlerweile 16 Köche, Winzer, Sekthersteller und Schnapsbrenner haben es sich seit 1994 zum Ziel gesetzt, durch hochwertige Aktionen einen wichtigen Beitrag zum Relaunch der Mosel zu leisten. Für die tatkräftige Unterstützung der Herren Podzun von der IHK zu Koblenz und von den Herrn Berg Winzers und Balthasar, unseren beiden Landräten, sei an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gedankt.


Marketing kann à la longue nur erfolgreich sein, wenn sich das Produkt nicht nur an kurzfristigen Kundenwünschen orientiert sondern darüber hinaus einzigartig, transparent, ehrlich und echt ist. Gerade an der Mosel zwischen Koblenz und Zell leider im Moment eine riesige Lücke zwischen den wirklichen Schätzen unserer Heimat und dem, was als »Wein, Weib und Gesang« touristisch vermarktet wird. - Und was mit dem »Unten« in dem Begriff Untermosel unbewußt treffend zum Ausdruck gebracht wird.


Erste Aufgabe bei der Arbeit an einem erfolgreichen Konzept ist es, die touristisch relevanten Ressourcen zu sammeln. Es gibt unglaublich viele:  Einmal die einzigartige Flußlandschaft, die dem Betrachter durch die mäandrierende Mosel und die Abwechslung von bewaldeten Hängen, Büschen und steilen Weinbergen ein Kilometer für Kilometer wechselndes, faszinierendes Bild darbietet. Im Gegensatz zur übrigen Mosel liegen hier die Niederschläge weit niedriger und die Temperaturen deutlich höher. 


Kein Wunder, dass in dieser Region viele seltene, vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere Lebensraum finden: Goldaster, Diptam, Felsengoldstern, Buchsbaum, Felsenahorn, Felsenkirsche, weiße Fetthenne, Küchenschelle, um nur einige der Pflanzen zu nennen, und der Apollo- und Segelfalter, die Mauereidechse und Smaragdeidechse, die Reben-Sattelschrecke und Rotflügelige Ödlandschrecke, die seltene Zippammer....


Kein Wunder auch, dass die steilen und terrassierten Weinberge als ökologische Nischen mit zu den Besten der ganzen Mosel gehören. In der historischen Lagenklassifikation aus dem letzten Jahrhundert werden an der Terrassenmosel prozentual gleichviele Lagen als »I Kategorie« klassifiziert, wie an der übrigen Mosel. Weinberge im Winninger Röttgen, im Winninger und Koberner Uhlen, in der Gondorfer Gäns, im Valwiger Herrenberg, dem Bremmer Calmont, im Neefer Frauenberg und in den Merler Königslay-Terrassen gehören zu den »grand cru Lagen« der Mosel und zu den besten Rieslingweinbergen der Welt!


Eine Fülle Kulturdenkmäler keltischen und römischen Ursprungs, romanische Kirchen, mittelalterliche Zehnthöfe und Burgen…  Und ebenfalls eine Vielzahl kleiner Dörfer, die trotz Plastikfenster und Neubaugebiete nur wenig von ihrem mittelalterlichen Charme eingebüßt haben.  Und Menschen, liebenswerte, lustige, mit Ecken und Kanten, originale…


Aber wer kennt den Apollofalter, wer weiß wo der Goloring liegt, der Kardener Dom? Wer kennt die vielen Wanderwege, die Sauerbrunnen, alten Bergwerke… Wer weiß, daß auf Burg Koraidelstein einer der berühmtesten deutschen Töpfer wohnt, daß eine Reihe von Köchen und Winzern unserer Region von der Fachpresse wie Feinschmecker und Gault-Millau zu den Besten in Deutschland gerechnet werden?  Marketing heißt daher auch »Marketing nach innen«, heißt den allen Bewohnern die Schätze der Region näherzubringen, heißt Arbeit an der Lebensqualität einer der schönsten Flußlandschaften der Welt. Nur wer sich hier wohlfühlt, kann glaubhaft und mit Stolz die Begeisterung auch nach außen tragen, kann »neue« Touristen an die Mosel locken. 


Dies mit zu initiieren, ist Aufgabe der »Köche und Winzer an der Terrassenmosel«. Schon der Name steht für einen ersten Schritt: Der psychologische schlecht gewählte Begriff Untermosel (unten = schlecht) wurde durch den Begriff »Terrassenmosel« ersetzt, in dem das signifikante Erscheinungsbild der Region, die terrassierten Weinberge, unverwechselbar zum Ausdruck kommt.  Die »Köche und Winzer« verstehen sie sich als »Verführer zum Genuss«, als Verführer zu gutem Essen und Trinken und zum Erleben der einzigartigen Reize und Besonderheiten der Mosel zwischen Koblenz und Zell. 


Angesprochen werden die Bürgerinnen und Bürgern der Region genauso wie die Gäste: Alle sollen der Faszination »Terrassenmosel« erliegen und aus der Begeisterung heraus zu aktiven Werbeträgern werden. Die Gäste der über das ganze Jahr verteilten kulinarischen Veranstaltungen erleben  Weinbergsarbeit in den steilen Terrassenlagen und werden in die Geheimnisse der Vinifikation von Spitzenrieslingen  genauso eingeführt wie in die Mysterien des traditionellen Champagnerverfahrens und die Kunst des Destillierens.  Kulturgeschichte und Heimatkunde stehen auf dem Programm,  genauso wie Wandern im Naturschutzgebiet mit fachlichen Erläuterungen, wie Jazz, Swing und moselfränkische Lieder,  wie Kinoabende, Sportveranstaltungen, Kunstausstellungen, Theater, Konzerte…  Und bei jeder Veranstaltung: Das gute Essen und der gute Riesling – vom einfachen, ehrlichen Wingertseintopf bis zum prachtvollen Gala-Dinner, vom sauberen Schoppen bis zum raren Schatzkammerwein. So werden die »Köche und Winzer an der Terrassenmosel« heute als »kulinarische Elite und Flaggschiff der Region« bezeichnet. Sind sie das? 


Wenn wir ELITE so buchstabieren, daß das »E« für Eigensinn und Eigenverantwortung steht, das »L« für Lust an der Arbeit,  das »I« für Individualisten, das »T« für Transparenz und Offenheit bei der Arbeit und das letzte »E« für Erfolg,  dann macht dieser Begriff einen Sinn. 


Und wenn das Flaggschiff »Köche und Winzer an der Terrassenmosel« die anderen Winzer, Gastronome und Hoteliers dazu animiert, im kulinarischen Kielwasser mitzuschwimmen, hat die Mosel alle Chancen, sich als eine der schönsten Flußlandschaften Europas zu einer ökonomisch gesunden Tourismusregion mit authentischer Lebensqualität zu entwickeln.  
 
Reinhard Löwenstein, 20.09.1996
   
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