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Preußen an der Mosel


Reinhard Löwenstein
Januar 1994 


Die Preußen waren uns Moselanern nie so richtig grün. Als wir 1815 »von den Franzosen befreit« wurden, freuten sich nur die wenigen Protestanten, die in den Dörfern um die Starkenburg ( Trabach, Enkirch ) sowie in Winningen wohnten. Natürlich waren die Franzosen »Besatzung«, aber immerhin ermöglichten sie durch die Säkularisierung des Klerikal- und Feudalbesitzes sowie durch Zollvergünstigungen vielen Familien den Aufbau einer - wenn auch meist sehr bescheidenen - »bürgerlichen Existenz«. Nun, die Preußen gaben sich Mühe, das Rheinland als Puffer gegen Frankreich einigermaßen stabil zu halten und kompensierten entstandene Exportverluste nach Frankreich durch ein großes Nachfragepotential. 

Die Prosperität hielt jedoch nur zwei Jahrzehnte. Nach Eintritt der Pfälzer in den Zollverein fiel der Preis für Moselwein um bis zu 80% … Nicht nur Karl Marx war betroffen von der Notlage der Winzer. Die preußische Regierung versuchte sich in pädagogischem Krisenmanagement. Vergeblich. Die an den Schulen verteilten Lehrbücher mit dem provokativen Inhalt, man solle weniger, dafür aber besseren, konkurrenzfähigeren Wein ernten, mußten nach wütenden Protesten der Winzer wieder eingezogen werden. Ein kleiner Silberstreif am Horizont waren die Entdeckungen der Chemie: Nachdem das Geheimnis der alkoholischen Gärung geknackt war und der napoleonische Landwirtschaftsminister J. A. Chaptal den Zuckerzusatz legalisierte, kam der sozial sehr engagierte Ludwig Gall aus Trier auf die Idee, gleichzeitig die Säure des Weins mit Wasser zu neutralisieren … 

Das »Chaptalisieren« und »Gallisieren« blieb jedoch ein Geheimtip. Dafür sorgten einige große Winzer und Kellereibesitzer, die mit diesem Wissen in den 50er Jahren viel Geld verdienten und Gründerzeitpaläste bauten. Der kleine Winzer guckte in die Röhre - er hätte auch eh' kein Geld gehabt, Zucker zu kaufen . . .

Aber dann kam der Tag von Sedan. Deutschland erwachte und die Mosel hatte ihre Eisenbahn. Wenngleich die Posten als Stationsvorsteher ausschließlich mit linientreuen Preußen besetzt wurden - wer weiß, beim nächsten Krieg? - gab man sich ansonsten nicht nur aus mitlitärstrategischen Gründen alle Mühe. Die Mosel war dankbares Opfer für allerlei kulturelle Projektionen der höheren Art. Burgen und Zinnen, märchenumwoben … Hatte nicht schon der 'geheime Rat' die geerbten 30 Fuder Moselwein im Laufe seines Lebens zu höchst intellektuellen Genüssen sublimiert? ( Ironie des Schicksals, daß der alte Goethe als Weinhändler diese besagten Fuder den armen Moselwinzer für einen Apfel und ein Ei abgeluchst hatte, nachdem er Ihnen gehörig Angst vor den zu erwartenden marodierenden französischen Revolutionstruppen gemacht hatte. ) 
Ob der preußische Offizier nun von der blondgelockten Winzerin träumte oder die holde Beamtentochter vom kernigen Winzersmann … Wichtig für die Moselaner: Sie tranken Riesling. Und was so eine richtige Familie war, bestellten sie pro Jahr ein ganzes Fuder. Guter Riesling wurde knapp und erzielte höhere Preise wie
Spitzengewächse aus Bordeaux. Bei armen Winzersfamilien kam ab und zu wieder Fleisch auf den Tisch, die angesehenen Winzer fuhren nicht mehr mit der Kuh sondern per Pferdefuhrwerk in den Weinberg und pfiffige Industrielle bauten große Kellereien und schöne Jugendstilvillen. 

Gut 20 Winzer, denen das Kapital fehlte um »groß« einzusteigen, gründeten mit einer Leipziger Bank zusammen 1890 die »Gesellschaft vereinigter Moselwinzer m.b.H.« mit Sitz in Winningen. Die Geschäfte gingen gut, so daß 1898 mit dem Bau einer großen Kellerei begonnen wurde. Die Winzer lieferten per Schiff oder Bahn nach Winningen, wo der Wein gelagert, in Flaschen abgefüllt und verkauft wurde. Ein florierendes Geschäft mit einem Umsatz von bis zu 300 Fudern Wein im Jahr!

Dann kam der 1. Weltkrieg, Franzosenzeit, Hitlerfaschismus und eine Bundesrepublik mit »gesundem deutschen Familienbetrieb«. Kaum eine der klassischen Kellereien hat überlebt. Und eine »Gesellschaft vereinigter Moselwinzer« - Gott behüte uns vor solch Kommunistenkram - gibt es nur noch in der pervertierten Form einer Winzergenossenschaft; mit Infusionen aus dem Landeshaushalt künstlich am Leben gehaltene Notgemeinschaft einiger tausend stimmloser Nebenerwerbswinzer. 

Nachdem die Keller in dem schönen Anwesen am Winninger Bahnhof lange Jahre verwaist den goldenen Jahren nachtrauerten, hatten wir das große Glück im Jahre 1983 einen Mietvertrag unterschreiben zu können.  Mittlerweile haben wir das Haus gekauft, haben einiges vorsichtig renouviert und verschönert. Kommen Sie uns doch mal besuchen! 

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